Betriebsvereinbarung & Desk Sharing: Rechtliche Basics erklärt

Hybrides Arbeiten

Hier erfährst du alles zu Betriebsvereinbarung & Desk Sharing: rechtliche Grundlagen im Detail einfach erklärt inkl Rechtsprechung …

Betriebsvereinbarung und Desk Sharing: Ist die Mitbestimmung des Betriebsrates wirklich notwendig?

In der modernen Arbeitswelt, geprägt von Digitalisierung, Homeoffice und agilen Arbeitsmethoden, erfreut sich Desk Sharing immer größerer Beliebtheit. Dabei teilen sich mehrere Mitarbeiter einen Arbeitsplatz, anstatt über einen festen Schreibtisch zu verfügen. Diese Flexibilität soll Kosten sparen, die Zusammenarbeit fördern und den Bedürfnissen hybrider Arbeitsmodelle gerecht werden. Doch was bedeutet Desk Sharing für die Mitbestimmung des Betriebsrates? Ist eine Betriebsvereinbarung zwingend erforderlich? Dieser Blog-Artikel beleuchtet die rechtlichen, praktischen und sozialen Aspekte dieser Frage – inklusive der juristischen Unsicherheiten.

Was ist Desk Sharing und warum wird es eingeführt?

Desk Sharing, auch als "Shared Desk Policy" bekannt, beschreibt die Organisation von Arbeitsplätzen, bei der Mitarbeiter keinen festen Schreibtisch haben, sondern nach Bedarf einen Arbeitsplatz nutzen. Vorteile dieses Modells sind:

  • Kosteneinsparungen: Weniger Bürofläche und Ausstattung werden benötigt.
  • Flexibilität: Mitarbeiter können von unterschiedlichen Orten arbeiten.
  • Förderung der Kollaboration: Teams sitzen je nach Projekt nebeneinander.
  • Nachhaltigkeit: Ressourcen werden effizienter genutzt.

Trotz dieser Vorteile bringt Desk Sharing auch Herausforderungen mit sich, wie etwa Verunsicherung bei den Mitarbeitern oder das Gefühl, keinen "eigenen" Platz mehr zu haben.

Individualrechtlich ist Desk Sharing grundsätzlich unproblematisch: Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf einen festen, "eigenen" Arbeitsplatz. Im Rahmen seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Desk Sharing einseitig anordnen, sofern die grundlegenden Informationspflichten nach § 81 Abs. 2 BetrVG eingehalten werden.

Kollektivrechtlich hingegen können Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates greifen, abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Modells. Im Folgenden werden diese rechtlichen Grundlagen sowohl im Überblick als auch im Detail betrachtet.

Rechtliche Grundlagen für das Desk Sharing im Überblick gemäß Betriebsverfassungsgesetz

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind ein zentraler Punkt, wenn es um die Einführung von Desk Sharing geht. Besonders relevant sind:

  • § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: Regelung der Ordnung im Betrieb, einschließlich Vorgaben zur Nutzung von Arbeitsplätzen.
  • § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: Einführung und Nutzung technischer Einrichtungen wie Buchungssystemen oder Sensoren.
  • § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG: Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, wie ergonomische Arbeitsplatzgestaltung.
  • § 90 BetrVG: Informations- und Beratungsrechte des Betriebsrates bei der Planung von Arbeitsplätzen.
  • § 111 BetrVG: Regelungen zur Betriebsänderung, falls Desk Sharing Teil einer größeren Umstrukturierung ist.

Die detaillierte Auslegung und Anwendung dieser Paragraphen im Kontext von Desk Sharing wird im nächsten Abschnitt beschrieben.

Rechtliche Grundlagen: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Detail erklärt

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: Ordnung im Betrieb

“Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.”

Dieser Paragraph regelt die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen, sofern diese nicht durch gesetzliche oder tarifliche Regelungen bereits abschließend geregelt sind. Im Kontext von Desk Sharing könnte man interpretieren, dass der Betriebsrat aktiv in die Gestaltung der Ordnung des Betriebs eingebunden werden muss, insbesondere wenn neue Regelungen zur Nutzung von Arbeitsplätzen eingeführt werden.

Strittig:
Das LAG Düsseldorf entschied jedoch, dass Desk Sharing eher dem Arbeitsverhalten als einem Ordnungsverhalten zuzuordnen sei und daher nicht § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliege. 

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: Einführung und Nutzung technischer Einrichtungen

“Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.”

Dieser Paragraph umfasst technische Einrichtungen, die potenziell das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwachen können, wie etwa Buchungssysteme, Sensoren oder Kameras. Im Zusammenhang mit Desk Sharing betrifft dies insbesondere digitale Tools zur Arbeitsplatzbuchung oder Systeme, die Daten zur Arbeitsplatzbelegung erfassen.

Strittig:
Es ist nicht immer eindeutig, ob technische Systeme im Rahmen von Desk Sharing unter diese Regelung fallen. Insbesondere Buchungssysteme ohne Überwachungsfunktion könnten als reine Unterstützung angesehen werden. Die Grenze zwischen technischer Unterstützung und Überwachung ist dabei oft schwer zu ziehen. Sollte jedoch kein elektronisches Buchungstool zur Suche sowie Buchung von Arbeitsplätzen vorliegen, dann liegt laut LAG (Landesarbeitsgericht) kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates vor. 

§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG: Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes

“Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 7. Regelungen über den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz.”

Dieser Paragraph regelt Maßnahmen, die den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sicherstellen. Der Betriebsrat hat laut diesem Paragraph ein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Die Verbindung zwischen Gesundheitsschutz und Desk Sharing ist jedoch nicht immer eindeutig. Während die Einhaltung von gesundheitlichen Standards klar geregelt ist, bleibt offen, ob spezifische Regelungen für Desk Sharing unter diesen Paragraphen fallen. 

Strittig:
Das LAG Baden-Württemberg hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Einführung von Desk Sharing abgelehnt. Das Gericht begründete dies damit, dass die alleinige Einführung von Desk Sharing nicht zu einer konkreten Gefährdung der Arbeitnehmer führe. Es wurde festgestellt, dass die tägliche Reinigung der Arbeitsplätze und die Nutzung persönlicher Ausstattung durch die Mitarbeiter eine konkrete Gesundheitsgefahr ausschließen.

§ 90 BetrVG: Informations- und Beratungsrechte

“Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Planung [...] der Arbeitsplätze rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten.”

Dieser Paragraph verpflichtet den Arbeitgeber, den Betriebsrat frühzeitig und umfassend über geplante Maßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung zu informieren. Ziel ist es, mögliche Vorschläge und Bedenken des Betriebsrates in die Planung einzubeziehen.

Die Informationspflicht ist klar geregelt. Dennoch bleibt unklar, wie tief der Betriebsrat in die Planung eingebunden werden muss und ob dies automatisch auch Mitbestimmungsrechte nach anderen Paragraphen auslöst.

§ 111 BetrVG: Betriebsänderung

“Der Arbeitgeber hat [...] bei geplanten wesentlichen Änderungen [...] mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zu verhandeln.”

Dieser Paragraph betrifft umfassende Veränderungen im Betrieb, die erhebliche Auswirkungen auf die Belegschaft haben, wie Standortwechsel, Stellenabbau oder grundlegende Umstrukturierungen. Desk Sharing könnte eine Betriebsänderung darstellen, wenn es Teil eines größeren Umbaus der Bürokonzeption ist.
Ob Desk Sharing allein als Betriebsänderung gewertet werden kann, hängt von seinem Umfang und seiner konkreten Ausgestaltung ab. Die Einordnung ist häufig eine Einzelfallentscheidung und wird in der Praxis unterschiedlich gehandhabt.

Ist eine Betriebsvereinbarung immer notwendig?

Ob eine Betriebsvereinbarung notwendig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Unternehmensgröße, der Art der Maßnahme und den bestehenden Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Vorteile der Mitbestimmung des Betriebsrates

Die Einbindung des Betriebsrats hat unter anderem folgende Vorteile für die Belegschaft:

  1. Akzeptanz bei den Mitarbeitern: Die Einbindung des Betriebsrates sorgt für mehr Akzeptanz, da die Interessen der Belegschaft berücksichtigt werden.
  2. Transparenz und Fairness: Eine Betriebsvereinbarung schafft klare Regelungen und vermeidet Konflikte.
  3. Rechtssicherheit: Klagen wegen Datenschutzverletzungen oder unzumutbarer Arbeitsbedingungen können durch eine Betriebsvereinbarung minimiert werden.

Praktische Umsetzung: Was sollte in einer Betriebsvereinbarung stehen?

Eine gut ausgearbeitete Betriebsvereinbarung sollte folgende Punkte umfassen:

  • Ziele und Rahmenbedingungen: Warum wird Desk Sharing eingeführt? Welche Bereiche sind betroffen?
  • Regelungen zur Arbeitsplatznutzung: Wie werden Arbeitsplätze gebucht? Gibt es Ausnahmen?
  • Datenschutz: Wie werden Daten verarbeitet? Wer hat Zugriff?
  • Arbeitsplatzgestaltung: Sind ergonomische Arbeitsplätze und Rückzugsräume vorhanden?
  • Evaluation: Wie und wann wird das Modell überprüft?

Fazit: Strittige Rechtslage erfordert Kooperation

Desk Sharing ist ein modernes Bürokonzept, das sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Die rechtliche Einordnung ist komplex, da die Anwendung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in vielen Fällen strittig ist. Unternehmen sollten den Betriebsrat frühzeitig einbinden, um Unsicherheiten zu vermeiden und die Akzeptanz der Mitarbeiter zu fördern. Eine gut durchdachte Betriebsvereinbarung, die Datenschutz, Arbeitsplatzgestaltung und Konfliktmanagement regelt, kann dazu beitragen, Desk Sharing erfolgreich einzuführen. Durch Kooperation und klare Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat lassen sich rechtliche Risiken minimieren und die Zufriedenheit der Belegschaft stärken.

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